29.11.2016
Kirche & Wahlempfehlung
Pfarrblätter werden entfernt
Katholischer Pfarrer gibt via Pfarrblatt Wahlempfehlung gegen Van der Bellen und für Hofer
NEUKIRCHEN AN DER WILD. Neben dem Text zur Anmeldung für den
Firmkurs, einer Beichtgelegenheit und einer Danksagung ist auch unter dem Punkt Informationen ein Statement zur kommenden Bundespräsidentenwahl am Sonntag zu lesen.
Ein Ausschnitt aus dem Pfarrbrief im Wortlaut:
WERBUNG
"Information zur Wahl am 4. Dezember: Der Kandidat Van der Bellen ist für Christen nicht wählbar da er wie seine Partei für die Abtreibung ist. Und Abtreibung ist Mord. Ein Christ darf durch die Wahl ungeeigneter Kandidaten nicht mitschuldig werden an Abtreibungsgesetzen. Der praktizierende Christ Norbert Hofer
ist gegen die Abtreibung und steht für sehr vernünftige
Ziele. Lassen Sie sich nicht verunsichern, wenn selbst katholische Verbände für Van der Bellen sprechen, denn das ist
ideologisch bedingt. Was ich hier sage ist meine Pflicht und die Wahrheit.
Der Pfarrer war leider für eine Stellungnahme nicht
erreichbar.
Joachim Kovacs, Landessprecher von "Die Grünen Wien": "Der
Wahlempfehlung vom Pfarrer möchte ich ein Zitat von Papst Franziskus entgegen halten: Eine Person, die immer wieder daran
denkt, Mauern zu bauen statt Brücken, ist kein Christ. Der Pfarrer ist in der Vergangenheit ja schon mehrfach mit homophoben
Aussagen aufgefallen. Jetzt pfeift er auf die Trennung von Kirche und Staat und hetzt Menschen gegeneinander auf. Ich sehe die Diözese zum Handeln gezwungen."
Mag. Florian Welzig, Bischöflicher Medienreferent Diözese
St. Pölten: "Im Pfarrblatt Wahlwerbung geht nicht. Das wurde auch dem Pfarrer gesagt und die Pfarrblätter werden entfernt."
Pfarrer suspendiert
Eklat um Sonntagspredigt gegen Van der Bellen
Deutscher Aushilfspfarrer kritisierte in Sonntagspredigt in OÖ Van der Bellen.
Erneut hat sich ein in Oberösterreich tätiger Pfarrer abfällig über einen Präsidentschaftskandidaten geäußert. Der Aushilfspriester aus Deutschland soll in seiner Sonntagspredigt am 13. November in der Kirche in Weitersfelden (Bezirk Freistadt) abwertend über Alexander Van der Bellen gesprochen und offenbar eine Wahlempfehlung für
Norbert Hofer ausgesprochen haben, informierte die Diözese Linz.
Erst Ende vergangener Woche wurde nach scharfen Attacken eines Aushilfspriesters gegen FPÖ-Politiker während des Gottesdienstes in Mondsee dessen Vertretungstätigkeit vorzeitig beendet. Auch der Geistliche aus Deutschland wird nun in der Mühlviertler Gemeinde keine Messe mehr halten. Die Aushilfetätigkeit wurde einvernehmlich auf jeden Fall
für die nächsten zwei Wochen ausgesetzt, teilte die
Diözese weiter mit.
Generalvikar: "Keine Instrumentalisierung der Gottesdienste"
Generalvikar Severin Lederhilger bedauerte die beiden Vorfälle und
wies in einer Pressesendung auf die geltenden diözesanen Richtlinien hin. "Um der Einheit in den kirchlichen Gemeinden willen
und unter Respektierung legitimer Pluralität gilt es parteipolitische Zurückhaltung zu üben. Insbesondere darf es keine Instrumentalisierung der Gottesdienste zur parteipolitischen
Agitation geben", so der Generalvikar.
Dazu ein kath.net Artikel vom 22 Mai 2016
Schönborn: Jeder darf eine Wahlempfehlung geben, 'auch ein
Bischof'
'O König und Meister, lehre mich kämpfen und prüfen die Geister!'
Heiße Diskussion um Wahlempfehlung von Bischof Laun. Kardinal Schönborn und Erzbischof Lackner melden sich zu Wort. Was sagt die Kirche wirklich zur Politik? Die Glaubenskongregation hat dazu 2002 eine Note mit brisanten Inhalten veröffentlicht.
Wien (kath.net/rn)
Der gestrige kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun zur kommenden Bundespräsidentenwahl, der zu Rekordzugriffen bei kath.net geführt hat, hat in der katholischen Kirche zu einer heißen
Diskussion geführt, ob es eine Wahlempfehlung für einen
Kandidaten geben darf. "Jeder hat das Recht, eine Wahlempfehlung abzugeben, auch ein Bischof. Trotzdem hat die katholische Kirche in der Vergangenheit auf Wahlempfehlungen verzichtet, und die
Erfahrung hat uns gelehrt, dass dies sinnvoll ist, auch – oder gerade besonders - bei der Bundespräsidentenwahl 2016, an deren Stichwahl das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik kein katholischer Kandidat teilnimmt", teilte der
Wiener Kardinal Christopf Schönborn wenige Stunden nach dem Kommentar von Bischof Laun auf kath.net mit. Schönborn
erklärte, dass es auch diesmal "keine Wahlempfehlung der katholischen Kirche" gebe und meinte dann wörtlich: "Auch wenn die Wahl vielen schwerfällt und vielerorts Verunsicherung
zu spüren ist, rufe ich alle Vertreter des katholischen Lebens auf, in ihren Wortmeldungen auch auf ihren Stil zu achten und
Andersdenkende nicht zu verurteilen. Es ist völlig legitim, wenn auch bei dieser Wahl Katholiken zu unterschiedlichen
Ergebnissen kommen, was die Wählbarkeit der einzelnen Kandidaten betrifft."
Für Diskussionen bei Katholiken sorgt dann allerdings folgende Aussage: "Eine gute Wahlentscheidung kann sich nicht nur auf Aussagen
der Kandidaten zu Kernanliegen der Kirche wie dem Lebensschutz beziehen, sondern muss auch viele andere Komponenten einbeziehen wie die Haltung der Kandidaten zu den Schwachen der Gesellschaft,
zu denen auch die Migranten gehören, zur Zusammenarbeit in Europa, zur Verantwortung Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft. Dazu kommt der Blick auf das politische Umfeld der Kandidaten, ihren Stil der
Auseinandersetzung und ihre Ankündigungen, wie sie das Amt des Präsidenten auszuüben gedenken. Ein Katholik, der all diese Faktoren wahrnimmt und gewichtet, kann durchaus zu anderen
Schlüssen kommen als ein anderer und muss sich nicht vorwerfen lassen, zu wenig nachgedacht zu haben." Der KURIER
interpretierte diese Aussage von Schönborn gestern als indirekte Unterstützung für Van der Bellen. Auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner hat sich gestern zu Wort gemeldet und
gemeint, dass es von Seiten der katholischen Kirche in Österreich keine Wahlempfehlungen für bestimmte Kandidaten gibt. Das sei ein "langjährig bewährte Tradition". "Als Erzbischof weise ich politische Parteinahme vor Wahlen grundsätzlich zurück."
Brisant sind die gestrigen Äußerungen von Schönborn und Lackner aber aus einem ganz anderen Grund. Seit
Tagen haben gewichtige katholische Organisationen wie die Katholische Aktion (kaö) oder die Katholische Frauenbewegung (kfb)
direkte oder indirekte Wahlempfehlungen für den Grün-Kandidaten Van der Bellen abgegeben. Eine Stellungnahme von Bischöfen gab es hier nicht. Interessant an der Diskussion
ist auch, dass sich in gewichtigen Online-Foren der Kronen-Zeitung oder auch der Presse auffallend viele Teilnehmer die Stellungnahme von Bischof Laun durchaus begrüßten und sich kritisch zum
Wiener Kardinal Schönborn äußerten.
Doch was sagt die Kirche wirklich zu Wahlen oder Wahlempfehlungen? 2002 hatte die Glaubenskongregation unter der Leitung von Kardinal
Ratzinger dazu eine Note veröffentlicht. Dort heißt es: "Es ist freilich Recht und Pflicht der Kirche, moralische
Urteile über zeitliche Angelegenheiten zu fällen, wenn dies
vom Glauben und vom Sittengesetz gefordert ist[. Der Christ ist gehalten, ‚berechtigte Meinungsverschiedenheiten in Fragen der
Ordnung irdischer Dinge‘ anzuerkennen. Zugleich ist er gerufen, sich von einer Auffassung des Pluralismus im Sinn eines
moralischen Relativismus zu distanzieren, die für das demokratische Leben selbst schädlich ist. Dieses braucht wahre und solide Fundamente, das heißt ethische Prinzipien, die auf Grund ihrer Natur und ihrer Rolle als Grundlage des
sozialen Lebens nicht ‚verhandelbar‘ sind."
Spannend ist, dass die katholische Kirche hier ausdrücklich
katholische Gruppen kritisiert, die Politiker unterstützen, die in grundlegenden ethischen Fragen von der Moral- und
Soziallehre der Kirche abweichen. "Solche Einstellungen und Verhaltensweisen widersprechen grundlegenden Prinzipien des christlichen Gewissens und sind nicht mit der Zugehörigkeit zu Vereinigungen und Organisationen vereinbar, die sich katholisch nennen."
Brisant für nicht katholische Politiker ist aber vor allem das
Kapitel 4. Dort steht wörtlich:
Davon ausgehend gibt es ein komplexes Netz von aktuellen Problemen, die nicht mit den Fragestellungen vergangener Jahrhunderte
verglichen werden können. Wissenschaftliche Errungenschaften haben es nämlich ermöglicht, Ziele zu erreichen, die das Gewissen der Menschen erschüttern und die Lösungen verlangen, welche die ethischen Prinzipien in
kohärenter und vollständiger Weise respektieren. Ohne die
Folgen für das Leben und die Zukunft der Völker in der
Formung der Kultur und der sozialen Verhaltensweisen zu beachten, gibt es in der Gesetzgebung Versuche, die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens zu verletzen. In dieser schwierigen Lage haben
die Katholiken das Recht und die Pflicht einzugreifen, um den tiefsten Sinn des Lebens und die Verantwortung, die alle dafür
besitzen, in Erinnerung zu rufen. In Kontinuität der beständigen Lehre der Kirche hat Johannes Paul II. mehrmals unterstrichen, dass jene, die direkt in den gesetzgebenden Versammlungen tätig sind, die "klare Verpflichtung" haben, sich jedem Gesetz zu widersetzen, das ein Angriff auf das menschliche Leben ist. Für sie, wie für jeden Katholiken, ist es nicht erlaubt, sich an einer Meinungskampagne für solche Gesetze zu beteiligen oder sie mit der eigenen Stimme zu unterstützen. Das hindert nicht daran - wie Johannes Paul II. in der Enzyklika Evangelium vitae für den Fall lehrte, in dem eine
vollständige Abwendung oder Aufhebung eines bereits geltenden oder zur Abstimmung gestellten Abtreibungsgesetzes nicht
möglich wäre -, "dass es einem Abgeordneten, dessen
persönlicher absoluter Widerstand gegen die Abtreibung klargestellt und allen bekannt wäre, … gestattet sein könnte, Gesetzesvorschläge zu unterstützen, die die Schadensbegrenzung eines solchen Gesetzes zum Ziel
haben und die negativen Auswirkungen auf das Gebiet der Kultur und der öffentlichen Moral vermindern".
In diesem Zusammenhang muss hinzugefügt werden, dass das gut
gebildete christliche Gewissen niemandem gestattet, mit der eigenen Stimme die Umsetzung eines politischen Programms zu unterstützen, in dem die grundlegenden Inhalte des Glaubens und der Moral durch alternative oder diesen Inhalten widersprechende Vorschläge umgestoßen werden. Weil der Glaube eine untrennbare Einheit bildet, ist es nicht möglich, auch nur einen seiner
Inhalte herauszulösen, ohne der ganzen katholischen Lehre zu schaden. Der politische Einsatz für einen isolierten Aspekt der Soziallehre der Kirche würde der Verantwortung
für das Gemeinwohl nicht gerecht. Auch darf der Katholik nicht meinen, anderen die christliche Verpflichtung
überlassen zu können, die ihm durch das Evangelium Jesu Christi
zukommt, damit die Wahrheit über den Menschen und die Welt verkündet und verwirklicht werde.
Wenn die politische Tätigkeit mit moralischen Prinzipien
konfrontiert wird, die keine Abweichungen, Ausnahmen oder Kompromisse irgendwelcher Art zulassen, dann ist der Einsatz der Katholiken deutlicher sichtbar und mit größerer Verantwortung verbunden.
Geht es um diese grundlegenden, unaufgebbaren ethischen Forderungen, müssen die Gläubigen wissen, dass der Kern der moralischen Ordnung auf dem Spiel steht, der das Gesamtwohl der Person betrifft. Dies ist der Fall bei den zivilen Gesetzen im Bereich der
Abtreibung und der Euthanasie (nicht zu verwechseln mit dem Verzicht auf therapeutischen Übereifer, der - auch moralisch - erlaubt ist), die das vorrangige Recht des Menschen auf Leben von seiner
Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende
schützen müssen. In gleicher Weise ist an die Pflicht zu
erinnern, die Rechte des menschlichen Embryos zu achten und zu verteidigen. In analoger Weise muss der Schutz und die Förderung
der Familie gewährleistet werden, die auf der mongamen Ehe zwischen Personen verschiedenen Geschlechts gründet und die in ihrer Einheit und Stabilität gegenüber den modernen Gesetzen über die Ehescheidung zu schützen ist. Andere Formen des Zusammenlebens können der Familie in keiner Weise
rechtlich gleichgestellt werden noch als solche eine gesetzliche Anerkennung erhalten. Auch die Freiheit der Eltern in der Erziehung ihrer eigenen Kinder ist ein unaufgebbares Recht, das zudem
von den internationalen Erklärungen der Menschenrechte anerkannt ist. In gleicher Weise muss an den sozialen Schutz der
Minderjährigen und an die Befreiung der Opfer von den modernen Formen der Sklaverei (zum Beispiel der Droge oder der
Ausnützung durch die Prostitution) gedacht werden. Nicht fehlen darf in dieser Aufzählung das Recht auf Religionsfreiheit sowie die Entwicklung einer Wirtschaftsordnung, die im Dienst der Person und des Gemeinwohls steht und die soziale Gerechtigkeit und
die Prinzipien der menschlichen Solidarität und der Subsidiarität beachtet, gemäß denen "die Rechte aller Personen, Familien und gesellschaftlichen Gruppen und deren Ausübung anerkannt
werden sollen"[21]. Schließlich ist unter diesen Beispielen das große Thema des Friedens zu nennen. Eine irenische und ideologische Sichtweise neigt manchmal dazu, den Wert des Friedens zu
säkularisieren, während man sich in anderen
Fällen mit einem zusammenfassenden ethischen Urteil begnügt
und die Komplexität der in Frage stehenden Ursachen vergisst. Der Friede ist immer "das Werk der Gerechtigkeit und die Wirkung
der Liebe"[22]. Er verlangt, dass Gewalt und Terrorismus radikal und absolut zurückgewiesen werden. Er fordert den
beständigen und wachsamen Einsatz jener, die in der Politik Verantwortung tragen.